Eine Untersuchung zur Perspektive der Gewaltfreien Kommunikation auf kulturelle Differenzerfahrung

Überblick:

Als zentrales Ergebnis hält die Autorin fest, dass die GFK durch die Unterscheidung zwischen Beobachtung und Interpretation, bzw. Bewertung, ein Bewusstsein darüber fördere, dass die eigene Wahrnehmung der Welt subjektiv und damit relativ ist. Mit diesem Bewusstsein könne auch der Maßstab des eigenen Weltbildes reflektiert werden, auf dem alle Verunsicherung durch vermeintlich interkulturelle Interaktionen beruhen.   

Sylvia Häusler

 

Abstract:

Marisa Wenzel hat an der Universität Osnabrück zum Abschluss ihres Master-Studiengangs „Internationale Migration und Interkulturelle Beziehungen“ eine Masterarbeit mit dem Titel: „Glaube nicht alles, was du denkst (Byron Katie) Eine Untersuchung zur Perspektive der Gewaltfreien Kommunikation nach Marshall B. Rosenberg auf kulturelle Differenzerfahrung“ verfasst. Dieser Untersuchung liegen die Fragen zu Grunde, wie die GFK Kultur und Differenz begreift und inwiefern sie einen empathischen Umgang mit der potentiell verunsichernden Erfahrung kultureller Differenz eröffnet.

In der Fachliteratur zum Konzept der Interkulturellen Kompetenz fand sie in den damit befassten Disziplinen (u. a. Anthropologie, Sozialpsychologie, Soziologie, Pädagogik, Philosophie, Wirtschaftswissenschaften) große Auffassungsunterschiede und teilweise erbitterten Streit um die Grundlagen, der in fundamentale Definitionsunterschiede mündet. Zentral scheint dabei die Frage, wie die jeweils beteiligten Akteure „Kultur“ überhaupt definieren – wobei das Spektrum von „klaren Trennlinien zwischen Kulturen, die sich wie Inseln voneinander absetzen“ bis zu „gegenseitigem Durchdringen von Kulturen und ihrer Verflechtung“ geht. Einige AutorInnen kommen sogar zur Schlussfolgerung, dass Fortbildungen zur Interkulturellen Kompetenz mit ihrer Vermittlung technischen Wissens über „die Anderen“ kulturelle Differenz überhaupt erst konstruieren. So entstehe kulturelle Differenz erst durch die Deutung eines irritierenden  Verhaltens einer anderen Person als „kulturbedingt“. Die Irritation beruhe jedoch darauf, dass die irritierte Person ihr eigenes Weltbild als unreflektierten Maßstab an das Verhalten der anderen Person anlege.

Hierbei kommen häufig Stereotypen zur Anwendung, wobei sowohl die Machtverhältnisse als auch das eigene Selbstbild ausgeblendet werden.

Marisa Wenzel beschreibt, wie ihr eigener GFK-Weg ihr Interesse daran geweckt habe, für ihr Studium herauszufinden, ob / wie die GFK dabei unterstützt, die kulturelle Differenz des Anderen weniger als Bedrohung wahrzunehmen. Entscheidend sei dabei der Fokus Rosenberg‘s auf die universell geteilten Bedürfnisse, welcher die gemeinsame Menschlichkeit betont.

Ihre intensive Auseinandersetzung mit den theoretischen Grundlagen der GFK bezieht auch die wenigen bisherigen Forschungsarbeiten anderer AutorInnen mit ein – und macht neugierig auf diese.

In Ergänzung führte die Autorin Leitfaden-Interviews mit GFK-TrainerInnen, die über Erfahrungen in der interkulturellen Arbeit mit Menschen verfügen. Dabei hat sie auch nach herausfordernden Situationen befragt und ob / wie ihnen die GFK dabei hilfreich erschienen sei.

Sie erhielt darauf ein breites Spektrum an Antworten, die den Schluss nahelegen, dass weniger das Kommunikationsmodell der GFK an sich, als vielmehr der jeweilige Bewusstseinsstand der Anwendenden (z. B. deren Möglichkeit sich selbst zu reflektieren, eigene Vorannahmen als solche zu erkennen, Perspektivenwechsel vorzunehmen etc.) für die Qualität der Ergebnisse entscheidend seien.

Marisa Wenzel geht auch auf den Streitpunkt ein, inwiefern sich die GFK, welche Rosenberg’s „westlichen“ und eher individualistisch orientierten Kultur entspringt, auch in der Interaktion mit Menschen eines kollektivistischen Weltbildes anwenden lässt.

Ihre Literaturrecherche sowie die durchgeführte Erhebung legen  nahe, dass die GFK in den drei Aspekten „Bewusstseinsarbeit“, „Bedürfnisorientierung“ und „Beziehungsebene“ im Umgang mit Menschen im interkulturellen Kontext entscheidende Beiträge leisten kann. Als zentrales Ergebnis hält die Autorin fest, dass die GFK durch die Unterscheidung zwischen Beobachtung und Interpretation, bzw. Bewertung, ein Bewusstsein darüber fördere, dass die eigene Wahrnehmung der Welt subjektiv und damit relativ ist. Mit diesem Bewusstsein könne auch der Maßstab des eigenen Weltbildes reflektiert werden, auf dem alle Verunsicherung durch vermeintlich interkulturelle Interaktionen beruhen.

Marisa Wenzel merkt an, dass weitere Forschung, z. B. mittels Teilnehmender Beobachtung, mehr als nur das persönliche Narrativ ermöglichen – und damit auch die jeweiligen KommunikationspartnerInnen ins Bild nehmen könnte. 

 

 

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Wissenschaftliche Arbeit